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Literaturkurs zeigt "Der Besuch der alten Dame"

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Eine Milliarde für die Gerechtigkeit und die Zukunft eines Städtchens bietet Claire Zachanassian (Pia Liese) den Einwohnern des Städtchens Güllens. Alles, was sie dafür verlangt, ist, dass ihr früherer Liebhaber Alfred Ill (Cedrik Herrmann), der sie und ihr uneheliches Kind einst verlassen hatte, für dieses Vergehen mit dem Tod bestraft wird.

Als junge entehrte Frau aus der Stadt gejagt, kehrt sie in eine Stadt zurück, die wirtschaftlich am Ende ist. Restaurants und Unternehmen geschlossen, und Ills Krämerladen floriert nur an den Tagen, wenn die Stütze ausgezahlt und Schulden abbezahlt werden. Um die Hoffnung auf einen Job über das Arbeitsamt und die Suche nach Erklärungen für die Misere drehen sich die Gespräche, süßlich umschmalzt von Ricky Nelsons "Lonesome Town".

Bürgermeister (Marcel Mindt), Pfarrer (Lynn Wedhorn), der die humanistische Tradition des Örtchens hochhaltende Lehrer (Dzenana Brcvak), Polizist (Marius Flagmeier), Arzt (Lisa Buschmeier) und eigentlich alle Bürger des Ortes setzen große Hoffnungen auf die finanzielle Unterstützung der Milliardärin, die sich durch geschickte Gattenwahl vom gefallenen Mädchen zu reichsten Frau der Welt emporgearbeitet hat. Lieses unterkühlt -berechnende Darstellung der Milliardärin ist so nachhaltig, dass sie sogar die Szenen bestimmt, in denen sie nicht zu sehen ist. So trägt sie entscheidend zur Intensität des Stücks bei.

Zunächst ist die Empörung in der Stadt groß. Mehr und mehr Bürger erliegen dem erwarteten Geldsegen, kaufen sich plötzlich neue Kleider, besseren Schnaps, schnelle Autos oder neue Schuhe. Ill bemerkt das natürlich und verwandelt sich mehr und mehr zu einem Gehetzten. Plötzlich sind alle im Dorf bewaffnet. Noch ist es nur Zachanassians Panther, der gejagt wird, doch bald lassen die um ihre Zukunft bangenden Bürger alle moralischen Beschränkungen fallen.

Seit dem Sommer hatte der von Jessica Happe geleitete Literaturkurs des beruflichen Gymnasiums am Friedrich-List-Berufskolleg an dem Stück gearbeitet. Gezeigt wurde das Stück fast ungekürzt, eine sehenswerte Energieleistung der Zwölftklässler.

Fast wie in einer griechischen Tragödie treibt das Stück auf das unausweichlich tödliche Ende zu, sogar Ill akzeptiert das Urteil "Geld gegen Leben", verweigert aber den bequemen Selbstmord. Ohne, dass sich noch einmal alle gemeinsam die Finger schmutzig machen, ist die Zukunft Güllens nicht zu haben, und bei aller Unausweichlichkeit sorgen Zwischenrufe von Kuckuck, Specht oder Fichten und Föhren immer wieder für auch bei Dürrenmatt angelegte Lacher. (Text und Fotos Ralf Bittner)

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